Mitglied Jasper Stein baut beeindruckendes Kölner Selbstversorgerhaus

Mitglied Jasper Stein baut beeindruckendes Kölner Selbstversorgerhaus

Einer für alle - alle für einen

In Zeiten der Energiekrise sind sie gefragter denn je: erneuerbare Energien. Das, was uns alle schon seit langem antreibt und bewegt, findet mittlerweile auch in den Köpfen einer größeren Öffentlichkeit statt. Das Beziehen von selbstproduziertem Strom ist keine Utopie mehr, sondern wird tagtäglich attraktiver für jede:n. Doch das, was zur schnellen Umsetzung fehlt, ist und bleibt seit Jahren das Gleiche: Politische Regelungen, neue Gesetze und eine Regierung, die anpackt und umsetzt.

Und weil wir uns mit diesem schleichenden Fortschritt nicht abfinden wollen, setzen wir uns seit mittlerweile 12 Jahren als Genossenschaft für einen demokratischen und regionalen Ausbau von Anlagen für erneuerbare Energien ein. Ein großer Teil dieser Bewegung sind, neben unseren 70 Festangestellten, auch unsere mittlerweile über 2.800 Mitglieder. Denn sie sind der fundamentale Grundstein unserer Genossenschaft. Der starke Zusammenhalt in unserer Gemeinschaft macht uns nicht nur stolz, sondern zeigt uns auch immer wieder, dass wir mit unseren Wünschen und Zielen für die nachfolgenden Generationen nicht allein sind. Aus diesem Grund möchten wir euch heute von einem dieser inspirierenden Mitglieder erzählen. Denn sein Projekt hat uns nachhaltig beeindruckt.

Die Rede ist von Jasper Stein, offizieller Energiegewinner seit bereits 2,5 Jahren. Er hat ein Projekt auf die Beine gestellt, das seinesgleichen sucht. Denn der 42-jährige Rechtsanwalt für Energie-, Energiewirtschafts- und Umweltrecht ist gerade dabei zwei Kölner Mehrfamilienhäuser zu nachhaltigen Selbstversorgern auszubauen. Neben zwei Photovoltaik-Anlagen gibt es hier zusätzlich eine Wasserstoff-Elektrolyse-Anlage zur langfristigen Energiespeicherung, eine Brennstoffzelle zur Stromerzeugung, zwei Windräder, zwei Wärmepumpen mit Pufferspeicher, eine Regenwasser-Ableitung mittels Rigole im Garten und bereits vorbereitete Möglichkeiten zur Installation von Wallboxen. Klingt kompliziert, denkt ihr? War es auch! Aber es hat sich gelohnt, so Jasper.

Wir haben uns mit Jasper zum Gespräch getroffen und mit ihm über sein Mammutprojekt gesprochen. Im folgenden Interview erfahrt ihr mehr über etwaige Herausforderungen, bürokratische und technische Hürden und wie Jasper es trotz alledem geschafft hat, seine Mietshäuser zum Vorbild für jeden nachhaltig denkenden Menschen werden zu lassen.

Hallo Jasper, wie schön, dass du Zeit für uns gefunden hast. Denn das, was du da gerade auf die Beine stellst, hat wirklich jede:n von uns beeindruckt.

Danke, das freut mich zu hören.

Erzähl uns doch gerne einmal, wie es zu alldem gekommen ist. Wenn man so hört, was du alles an neuer und nachhaltiger Technik in deine zwei Mietshäuser gepackt hast, kann einem schon einmal schwindelig werden.

Das Thema Nachhaltigkeit begleitet mich schon lange. Ich habe schon die Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll verfolgt, später habe ich unter anderem internationales Umweltrecht studiert. Wir müssen unser Leben umstellen, wenn wir auch in Zukunft noch ein gutes Leben auf der Erde führen wollen. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen und auch zeigen, was möglich ist. Ich möchte zeigen, dass man den CO₂-Fußabdruck reduzieren kann, auch als jemand, der in Immobilien investiert. Deswegen habe ich den Weg eines möglichst energieautarken Hauses gewählt.

Das klingt logisch und sehr ambitioniert. Denn wir alle wissen ja, wie schwer und bürokratisch Deutschland sein kann. Was waren denn die größten Hürden in der Umsetzung?

Eindeutig, dass es praktisch niemanden gibt, der Erfahrung mit der Kombination der verschiedenen Techniken hat. Das Problem waren weniger die Einzelkomponenten, sondern das Zusammenspiel derer. Und es war nicht so einfach, alle Beteiligten davon zu überzeugen, dass das funktionieren muss und kann. Manche Unternehmen standen meinem Vorhaben skeptisch gegenüber. Wenn ich nicht gesagt hätte, dass ich dafür die Verantwortung trage und überzeugt davon bin, dass das funktioniert, wäre das Gesamtkonstrukt so vermutlich nicht gebaut worden.

Wer hat die Kombination und das Zusammenspiel der verschiedenen Techniken denn dann letztendlich geplant?

Im Endeffekt ich selbst. Ich bin kein Techniker, habe die technische Gesamtausrichtung aber vorgegeben, und dann haben alle ihren Beitrag geleistet. Der Elektrikerbetrieb zum Beispiel musste mehrfach etwas anpassen, weil sich während der Installation in der Planung etwas verändert hat, was vorher nicht absehbar war. Auch die Photovoltaik-Anlage musste recht spezielle technische Kriterien erfüllen.

Klingt auf jeden Fall so, als hättest du da gleich eine Art „Extra-Studium“ für aufnehmen müssen. Mit deiner jetzt gewonnen Erfahrung – hast du Wünsche an die kommunale Verwaltung oder Politik?

Dringend. Ich finde keinen Ansprechpartner bei der Stadt, den Stadtwerken und den Netzbetreibern. Eigentlich sollten sie eine Abteilung „Erneuerbare Energien“ haben, die sich um diese Themen kümmert – vom Balkonkraftwerk bis zum autarken Haus. Der Beratungsbedarf ist groß. Für viele, die ihr Haus zukunftsfähig umbauen möchten – das sind ja oft Einzelpersonen und keine großen Unternehmen – ist das allein kaum zu schaffen.

Ja, es ist leider immer noch sehr schwer, sich nachhaltig aufzustellen, wenn man nicht vom Fach ist und auf Beratung angewiesen ist. Würdest du anderen denn trotzdem dazu raten, so ein Rundum-erneuerbar-Paket für sich zu etablieren?

Ja. Wenn ich als Vermieterin, als Vermieter beginne, selbsterzeugte Energie zu liefern, mache ich meine Immobilie attraktiv und zukunftsfähig. Wenn zu sowieso schon hohen Mietpreisen auch noch hohe Energiekosten dazu kommen, werden Mieter:innen irgendwann nicht mehr bereit oder in der Lage sein, das alles zu bezahlen. Wenn ich die Mieterinnen und Mieter aber mit günstigem Strom versorgen kann, ist das ein Pluspunkt für die Wohnungen. Mit einem Mietshaus selbst Energie zu erzeugen, hat nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Aspekte. Für einiges gibt es auch Förderungen, zum Beispiel für energetische Sanierungen und in meinem Fall ungefähr 65 Prozent für die Wasserstoffanlage.

Na, immerhin. Apropos ökologisch: Wie „selbstversorgend“ werden deine beiden Häuser denn wohl zukünftig sein?

Ursprünglich schien es so, dass 90 Prozent Energieautarkie möglich ist – aber ohne Elektromobilität. Das werden wir vermutlich nicht ganz schaffen, hängt aber auch vom Verhalten der Mieterinnen und Mieter ab. Wenn es am Ende 75 bis 85 Prozent werden für die beiden Häuser, freue ich mich. Bei der Energiebilanz zwischen der übers Jahr insgesamt erzeugten und verbrauchten Menge Strom sind die beiden Häuser deutlich im Plus, aber auch das ist ohne das Laden von Elektroautos gerechnet. Wenn die Wasserstofftanks voll sind und gerade nicht so viel Strom gebraucht wird, wird auch Strom ins öffentliche Netz eingespeist.

Nun wollen immer mehr Menschen eine eigene Photovoltaikanlage auf ihrem Dach. Auch wir merken das an dem konstant steigenden Anfragevolumen bei unserer Tochtergesellschaft. Aber Windräder haben wir in Köln auf einem Privathaus jetzt noch nicht gesehen. Wie bist du auf die Idee gekommen?

Ich betreibe eine Photovoltaik-Anlage auf unserem selbst bewohnten Haus, die tagsüber gut arbeitet, nachts aber natürlich nicht. Ich wollte eine Stromquelle haben, die auch nachts wenigstens die Grundlast eines Hauses abdeckt. Bei dem neu gebauten Mehrfamilienhaus hatten wir Glück. Wir können die beiden Windräder fünf Meter über Dachhöhe montieren, sodass sie am Ende insgesamt 13 Meter hoch sind. Da kann ich schon einen gewissen Stromertrag durch Wind erwarten.

Und gespeichert wird nicht in klassischen Stromspeichern, sondern durch Umwandlung in Wasserstoff, richtig? Diese Technik ist auch noch recht neu und war auch für unsere Mitarbeitenden spannendes Neuland. Wie kam es dazu?

Aufgrund meiner beruflichen Ausrichtung als Berater für erneuerbare Energien finde ich eine Speicherlösung als unverzichtbar. Die Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff ist für mich ein guter Zwischenschritt. Hierbei speichere ich die im Sommer gewonnene Energie für den dunklen und energiearmen Winter. Der Wasserstoffspeicher bringt mir somit also die Sonne, metaphorisch betrachtet, in den Winter. Diese Langzeitspeicherung ist mit den anderen Batterien momentan noch nicht möglich. Beziehungsweise müssten diese dann eine nicht umsetzbare Größe mit sich bringen. Mit der neuen Technologie des Wasserstoffspeichers kann ich aber nun wirklich die Sonne vom Sommer mit in den Winter nehmen. Das hat für mich irgendwie etwas magisches.

Klingt beeindruckend. In Kombination mit den zwei Photovoltaikanlagen gibt es dann fast ganzjährig selbst produzierten Strom für deine Mieterinnen und Mieter. Wie wird das Ganze eigentlich abgerechnet?

Ich habe eine eigene Energiegesellschaft gegründet, eine GmbH. Die ist sozusagen Eigentümerin des erzeugten Stroms. Über die verkaufe ich Energie an meine Mieter:innen. Alles andere war mir zu kompliziert. Und für die Strombeziehenden kann es einfacher nicht sein. Dieses Modell hat Vorteile, ich muss mich aber gleichzeitig um alle Regulierungen kümmern, die eine Energiegesellschaft mit sich bringt. Mit ihr schaffe ich es aber, Energie unterhalb des Marktpreises anbieten zu können.

Günstiger, selbst produzierter Wind- und Sonnenstrom, den ich direkt von meinem Vermieter beziehen kann. Klingt wie eine Utopie, aber du hast sie schon heute erlebbar gemacht. Wir sind ganz beeindruckt. Vielen Dank für das Gespräch.

Danke. Hat Spaß gemacht. Und falls der Rest der Energiegewinner:innen Lust hat, sich das Endergebnis mal anzuschauen: Ich empfange nach Absprache gerne mal ein paar Interessierte und zeige ihnen alles. Vielleicht kann ich mein selbst erarbeitetes Wissen ja noch hilfreich weitergeben.

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